Gerichtsurteile im Detail

 
22. NOVEMBER 2001
Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zu Domain-Namen:
Deutsche Shell gewinnt Streit um "shell.de"
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass auch die private Verwendung einer Internet-Adresse zu einer Verletzung des Namensrechts eines gleichnamigen Unternehmens führen kann. Geklagt hatte die Deutsche Shell GmbH ein Tochterunternehmen des weltweit bekannten Mineralölunternehmens Shell. Der Beklagte, der mit bürgerlichem Namen Andreas Shell heißt, hatte die Internetadresse von einem professionellen Domainhändler erworben und richtete unter dieser Adresse zunächst eine in den Farben rot und gelb gehaltene Homepage seines nebenberuflich betriebenen Übersetzungs- und Pressebüros ein. Daraufhin erhob die Deutsche Shell Klage gegen Andreas Shell mit dem Antrag, dass dem Beklagten die Verwendung des Domain-Namens "shell.de" untersagt werden solle.

Vor dem Landgericht und Oberlandesgericht München hatte die Klägerin Erfolg. Die Gerichte waren der Ansicht, der Beklagte verletze durch die Verwendung der Internet-Adresse "shell.de" das durch § 12 BGB geschützte Namensrecht der Klägerin. Aufgrund der überragenden Bekanntheit und Berühmtheit des Namens und der Marke "Shell" erwarte derjenige, der die Internet-Adresse "shell.de" anwähle, die Homepage der Klägerin und nicht die Homepage einer ihm unbekannten Person mit dem Familiennamen Shell. Die Klägerin habe ein schutzwürdiges geschäftliches Interesse daran, dass diejenigen, die mit ihr Kontakt aufnehmen wollten, nicht auf der Homepage der Beklagten landeten. Dem Beklagten sei es eher zuzumuten, sich von der Klägerin abzugrenzen als umgekehrt.

Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung nun im wesentlichen gebilligt und der Klägerin einen Unterlassungsanspruch zuerkannt. Auch in der privaten Verwendung der Internet-Adresse "shell.de" sei eine Verletzung des Namensrechts der Klägerin zu sehen. Da ein Domain-Name nur einmal vergeben werden könne und der Beklagte Inhaber der Internet-Adresse "shell.de" sei, sei der Klägerin die Möglichkeit genommen, den interessierten Internet-Nutzer auf einfache Weise über ihr Unternehmen zu informieren. Allerdings könne es dem Beklagten als Träger des Namens Shell grundsätzlich nicht verwehrt werden, seinen eigenen Namen für einen Internet-Auftritt zu verwenden. Kämen mehrere Personen als berechtigte Namensträger für einen Domain-Namen in Betracht, so seien deren Interessen gegeneinander abzuwägen. Dabei gelte in erster Linie das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität, also der Grundsatz "wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Dem müsse sich - bei einem Streit von zwei Gleichnamigen - grundsätzlich auch der bekanntere Namensträger unterwerfen. Ein Vorrang geschäftlicher vor privaten Interessen sei ebenfalls nicht anzuerkennen. Der Bundesgerichtshof war allerdings der Ansicht, dass die Interessen der Parteien im Streitfall von derart unterschiedlichem Gewicht seien, dass es ausnahmsweise nicht bei der Anwendung der Prioritätsregel bleiben könne.

Soweit die Deutsche Shell allerdings die Übertragung der Internet-Adresse "shell.de" auf sich verlangt hatte, hat der Bundesgerichtshof die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne nur den Verzicht des Beklagten auf die Adresse "shell.de", nicht aber die Übertragung auf sich beanspruchen. Auch wenn dies im konkreten Fall keine Rolle spiele, könne einem Dritten ein gleich gutes oder ein noch besseres Recht zustehen. Deshalb sei ein Anspruch auf Übertragung des Domain-Namens generell abzulehnen.

Urteil: Bundesgerichtshof, I ZR 138/99
Datum: 22. November 2001
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs
 



Unter der umstrittenen Adresse ist mittlerweile die Firmenpräsenz der Deutschen Shell zu finden.
Vergabestelle für Top-Level Domains in Deutschland.
Die offiziellen Seiten der höchsten deutschen Gerichtsinstanz.





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