Second Life: Vernachlässigbarer Hype
oder Kommunikationskanal der Zukunft?

Ein Gastbeitrag von Markus Bokowsky für die Schweizer Fachzeitschrift KMU Business.

  Kaum ein Thema steht momentan so im Fokus der Medienöffentlichkeit wie Second Life. Worum handelt es sich bei SL überhaupt und welche Chancen bieten sich für KMUs?

Screenshot Second Life
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Bei Second Life handelt es sich um das erste in der Breite erfolgreiche Metaversum, einer 3D Umgebung in der Jeder in Form eines Avatars teilnehmen kann. Die Zugangsvoraussetzungen sind denkbar gering, ein PC oder Mac mit 3D-Grafikkarte sowie ein breitbandiger Internetanschluss genügen um Teilnehmer dieser neuen Welt zu werden. Repräsentiert wird man durch einen Avatar, quasi seinem virtuellem Alter Ego. Wie in der wirklichen Welt muss der natürlich zunächst in Form gebracht werden, jedoch ist das mit weitaus weniger Aufwand möglich, Körperform und Aussehen - ja sogar Geschlecht - sind jederzeit veränderbar. Jetzt noch etwas Hübsches zum Anziehen gekauft und schon kann es losgehen.
Screenshot Second Life
Das Angebot an Freizeitangeboten wie z.B. Diskotheken, Spielhallen, Sportstätten bis hin zu virtuellen Bordellen ist unerschöpflich.
Die Nutzerschaft von Second Life unterscheidet sich von der anderer Online-Rollenspiele dramatisch. Fast 50% der User sind Frauen, den größten Anteil stellt die Gruppe der 25 - 34jährigen dar*. Erste Untersuchungen bescheinigen ihnen ein überdurchschnittliches Bildungsniveau und Haushaltsnettoeinkommen. Die Welt von Second Life ist global, ca. 30% der Bewohner kommen aus den USA, der Rest verteilt sich über die übrige Welt. 12% stammen aus Frankreich, 10% aus Deutschland und Großbritannien, 1,3% der Bewohner kommen im wirklichen Leben aus der Schweiz. Die Gesamtnutzerzahl liegt momentan bei 5 Millionen, bei einem Zuwachs von ca. 500.000 pro Monat.
Screenshot Second Life
In unzähligen Shops kann man alles kaufen, was der anspruchsvolle Avatar benötigt.
Was machen all diese Leute aber jetzt in Second Life eigentlich? Einer der großen Unterschiede zu herkömmlichen Online-Rollenspielen ist, dass es keine vorgegebene Spielhandlung gibt. Es müssen keine Aufgaben bewältigt werden, es gibt kein zu erreichendes Ziel. Es gibt aber auch keinen vorgegebenen Content, d.h. die Welt muss von ihren Bewohnern selbst erschaffen werden. Second Life stellt dafür vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, es kann entworfen, designed, Ggbaut werden. Vom Kleid für den Avatar bis zum eigenen Heim in Second Life kann alles selbst entworfen und erschaffen werden. Wer weniger kreativ oder handwerklich begabt ist, kann aber auch das, was andere Nutzer erschaffen haben käuflich erwerben. Gezahlt wird mit Linden$, der Währung von SL. Sie ist frei konvertibel und kann gegen echte Dollar getauscht werden. 1$ entspricht momentan ca. 200 Linden$. Zu all dem kommt noch die soziale Komponente, die in allen Online-Rollenspielen eine wichtige Rolle spielt, und auf die Second Life bewusst setzt. Die Avatare können sich per Chat unterhalten sofern sie am gleichen Ort sind oder sich gegenseitig Instant Messages schreiben, wenn sie sich gerade auf entfernten Inseln befinden. Dazu kommt jede nur vorstellbare Form der Unterhaltung, alles was in der realen Welt der Zerstreuung dient wird irgendwo sicher auch in Second LIfe angeboten.
Screenshot Second Life
Der kreative Aspekt spricht den klassischen "Bastlertypen" oder „Häuslebauer“ an.
Wie erklärt sich aber der rasante Anstieg der Nutzerzahlen, der große Erfolg, den Second Life momentan hat? Second Life hat mit dem Konzept des Metaversums ohne vorgegebene Spielhandlung eine völlig neue Nutzerschicht erschlossen. Viele Second Life User haben vorher noch nie ein Online-Rollenspiel gespielt. Erfolg und Anerkennung werden nicht im Kampf erworben, soziale, künstlerische, handwerkliche Fähigkeiten sind gefragt. Dies erschliesst völlig neue Zielgruppen, und eröffnete auch für Unternehmen die Möglichkeit sich in einer gewaltfreien Umgebung zu präsentieren. Die Möglichkeit des Kaufens und Verkaufens hat eine InGame-Economy entstehen lassen, die täglich ein beachtliches Transaktionsvolumen umsetzt und zur Attraktivität des Spiels wesentlich beiträgt. Nicht zuletzt war das gewaltige Medieninteresse der letzten Monate sicherlich dem Erfolg auch nicht abträglich, wobei es sich keineswegs um einen substanzlosen Medienhype handelt, ohne die beschriebenen Erfolgsfaktoren wäre auch das Medieninteresse ausgeblieben.
Screenshot Second Life
Second Life Auftritt von Vodafone
Was heißt aber all das nun für Unternehmen, können Sie Second Life nutzen? Momentan sind weltweit bereits ca. 100 Unternehmen und Institutionen in Second Life vertreten. Die Spanne reicht dabei von traditionell Innovationsfreudigen Firmen wie z.B: adidas bis hin zu Behörden oder politischen Parteien. Alle Protagonisten des französischen Wahlkampfs sind z.B. mittlerweile geschlossen mit einer Kampagne in SL vertreten, auch der amerikanische Vorwahlkampf hat SL bereits erreicht. Auf Unternehmensseite sind naturgemäß Firmen aus dem IT und Mediensektor stark vertreten, aber auch Branchen wie Tourismus and Handel finden bereits statt. Die Einsatzmöglichkeiten von SL sind vielfältig. Das Gros der Aktivitäten ist natürlich dem Marketing zuzurechnen (Werbung, PR, Mafo, Eventmarketing, virales Marketing) aber auch für After Sales Service, Research & Development, ja sogar für HR ist Second Life einsetzbar. Die von den Unternehmen verfolgten Strategien sind dabei so unterschiedlich wie Ihre Märkte und Zielgruppen. Die momentan am häufigsten beobachteten Basisstrategien zeigt der Kasten links.
Second Life ist dabei beileibe nicht nur für große Unternehmen geeignet; gerade für flexible und schnelle KMUs bieten sich hervorragende Möglichkeiten. Ähnlich dem Internet habe ich die Chance eine weltweite Nutzerschaft zu erreichen. Die Eintrittsbarrieren für ein Engagement sind relativ gering. Bereits für 80.000 Franken ist eine Präsenz möglich, die der großer Unternehmen in nichts nachstehen muss. Im Kampf um die Aufmerksamkeit der SL Nutzer und der Medien entscheiden gute Ideen, Geschwindigkeit und Engagement. Felder auf denen KMUs sogar Vorteile gegenüber großen Organisationen haben können. Entscheidend ist jetzt zu handeln und nicht zu warten, bis die Konkurrenz vertreten ist. Innovationsgewinne auf den Sektoren Aufmerksamkeit und Image können jetzt gemacht werden. Je länger man wartet, umso teurer wird ein Engagement werden. Und selbst wenn es z.B: nur darum geht, geeignete Mitarbeiter zu finden, eine Präsenz in SL demonstriert Innovationsfähigkeit und Zukunftsorientierung des eigenen Unternehmens, Faktoren, die auf dem Arbeitsmarkt zunehmend wieder wichtiger werden.

AUTOR: Markus Bokowsky

* Alle Zahlen Linden Lab 1/2007, http://blog.secondlife.com/2007/02/09/state-of-the-
virtual-world-%e2%80%93-key-metrics-january-2007/#more-747
Der Autor ist geschäftsführender Gesellschafter der Bokowsky + Laymanm GmbH. Er beschäftigt sich seit über 10 Jahren mit den Einsatzmöglichkeiten von Online-Medien in der Marketing-Kommunikation. Seit Anfang 2006 bietet Bokowsky + Laymann als einer der ersten Unternehmen im deutschsprachigen Raum Dienstleistungen für Unternehmen in Second Life an und hat sich in relativ kurzer Zeit zu einem der führenden Anbeiter in diesem Bereich entwickelt.



 
... für ein Engangement in Second Life

Strategie 1: Klondike
Pflöcke einrammen, Flagge zeigen, Erster sein.
Der Erste der Branche sein und durch unterstützende PR-Arbeit Aufsehen erregen. Heute ist es noch möglich, durch alleinige Präsenz den Innovationsbonus abzuschöpfen.
Herausforderung: Funktioniert nur noch begrenzte Zeit und nur noch in ausgewählten Branchen
Beispiele: Reuters, Adidas

Strategie 2: Window Shopping
Lernen für den vCommerce
Virtuelle Versionen realer Produkte werden verkauft oder verschenkt bzw. zum Testen zur Verfügung gestellt. Der User beschäftigt sich spielerisch mit den Produkten des Unternehmens. Ein dauerhafter Markenbindungseffekt wird durch den Verbleib im Inventory erreicht.
Herausforderung: Hochwertige Produkte müssen auch in der SL-Version hochwertig bleiben.
Beispiele: Adidas, Toyota, Nissan, American Apparel

Strategie 3: Kaufrausch
Real bugs for virtual goods
Virtuelle Produkte zum Zwecke der Einkommenserzielung anbieten.
Aufgrund der eigenen konvertiblen Währung und der integrierten Zahlungsfunktionalität ist es möglich Second Life auch als Absatzkanal für „virtuelle“ Produkte zu nutzen und damit echtes Geld zu verdienen.
Herausforderung: Ohne Medienbruch nur für wenige Produkte geeignet à für RL Unternehmen in der Regel ungeeignet.
Beispiele: Unzählige, meist kleine Online-Shops. Aber auch The Avastar (Bild-T-Online)

Strategie 4: Showtime
Kampagnen, Events, Aktionen
Anstelle oder zusätzlich zu dauerhaften Präsenzen mit virtuellen Events Akzente setzen.
Möglich sind u.a. Sponsoring-Konzepte, Aktionen oder Gewinnspiele. Partnering mit anderen SL-Akteuren ist zu empfehlen.
Herausforderung: Immer die Auswirkungen auf die Community bedenken, Aktionen müssen auf die Möglichkeiten des Mediums zugeschnitten sein.
Beispiele: AMD-Schnitzeljagd, EnBW, MINI USA, Bokowsky + Laymann Early Adopters Tour

Strategie 5: Abstraktion
In die Marke investieren, Imagetransfer nutzen.
Durch attraktive Angebote für die Community, die Marke in Second Life inszenieren. Losgelöst vom eigentlichen Produkt Attraktionen schaffen, die von den Usern angenommen werden und somit positiv auf die Marke zurückstrahlen.
Herausforderung: Kann sehr aufwändig werden und bedarf guter Ideen und mediengerechter Umsetzung. Absolute Identifikation mit dem Medium ist Voraussetzung für einen Erfolg.
Beispiele: Vodafone, AOL

Strategie 6: Community 2.0
User Generated Content, Web 2.0, virales Marketing
Durch Einbeziehung der Community Medienkompetenz demonstrieren und von den Ergebnissen profitieren. Projekte können für oder mit Hilfe der Community initiiert werden. Die Ergebnisse können positiv auf die Marke zurückstrahlen.
Herausforderung: Wie bei allen User-Generated Content-Strategien ist ein hohes Maß an Envolvement und Authentizität notwendig.
Beispiele: Pontiac, Arktis.de

Kontakt
Real Life:
Bokowsky + Laymann GmbH Marketing in Computer-Mediated Environments
Friedrichstrasse 1
D-80801 München

Tel. ++49 (0)89-3300869-0
Fax: ++49 (0)89-3300869-9

secondlife@bokowsky.de
secondlife.bokowsky.net

Second Life:
Bokowsky + Laymann
Bokowsky Island
IM: Marissa Bergbahn

 
 



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