Augmented Reality -
Eine neue Dimension für mobile Applikationen

Ein Gastbeitrag von Markus Bokowsky für die deutsche
Fachzeitschrift "mobile-developer" Ausgabe 8/2011.

 

iPhone & Co. haben alles, was für Augmented-Reality-Apps erforderlich ist. Lesen Sie, welche AR-Apps es schon gibt und welche Wege zur eigenen AR-App führen.

Von Markus Bokowsky

Neue Technologien bringen neue Möglichkeiten mit sich – manchmal ist es nur der Transfer bekannter Nutzungsszenarien auf neue Geräte und Umgebungen, manchmal entsteht aber auch etwas völlig Neues, das so oder so ähnlich, vorher nicht denkbar war.

Ein gutes Beispiel hierfür ist Augmented Reality. Unter dem Begriff Augmented Reality (AR) versteht man erst einmal ganz generell die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Es können dabei grundsätzlich alle Sinne erweitert werden, meistens geht es allerdings nur um die Erweiterung des visuellen Sinnes, also eine Überlagerung des Kamerabildes mit computergenerierten Zusatzinformationen (Bild 1).


Das Kamerabild des Smartphones wird von computergenerierten Zusatzinformationen überlagert (Bild 1).

Der Definition folgend – die gebräuchlichste ist die von Ronald Azuma aus dem Jahre 1997 [1] – werden drei Dinge benötigt:

  • Eine Kombination aus real und virtuell.
  • Interaktivität in Echtzeit (bewegt sich das reale Motiv, muss sich die virtuelle Überlagerung mitbewegen) und
  • eine Verankerung in der Dreidimensionalität.

Ein kurzer Blick zurück

Wie man schon am Entstehungsjahr dieser Definition sehen kann, so richtig neu ist das alles nicht, ganz im Gegenteil. Die Grundlagen der AR gehen auf die Träume und Visionen der Hippie-Ära der späten sechziger Jahre zurück. Gepaart mit den langsam erahnbaren Möglichkeiten des heraufziehenden Computerzeitalters entstanden Konzepte und erste technische Versuchsaufbauten, die man später mit den Begriffen Virtual Reality oder Cyberspace assoziieren wird. Lange hatte Augmented Reality eine feste Heimat in den Laboren der Universitäten und Forschungseinrichtungen. Als die benötigten Komponenten in Größe und Preis schrumpften hielt AR langsam Einzug in die Industrie und in Form von autonomen POS/POI-Terminals auch in Marketing und Werbung. In Deutschland war für die industrielle Anwendung von AR die Automobilindustrie ein wichtiger Wegbereiter. Ein schönes Beispiel für eine POS-Anwendung ist das AR-Terminal von Lego, das es ermöglicht am Point of Sale in die Schachtel zu schauen und damit einen Wow-Effekt bei der Primärzielgruppe auszulösen [2].

Die nächste Evolutionsstufe waren Webanwendungen, die sich der Rechenpower des PCs, der Webcam und des Monitors bedienten. Zum Tracking wird meist noch ein Marker benötigt, den man vorher ausdrucken muss; erste markerlose Anwendungen, wie zum Beispiel der Virtual Dressing Room von JC Penney [3] entstanden dagegen erst im letzten Jahr.

Den wahren Durchbruch erfuhr AR aber erst mit mobilen Applikationen. Smartphones der aktuellen Generation bieten out-of-the-box alles, was man für eine AR-Anwendung benötigt:

  • Leistungsfähige Prozessoren,
  • gute Positionsbestimmung durch GPS, WLAN, 3G- beziehungsweise GSM-Ortung,
  • Bestimmung der Lage im Raum durch Kompass und Gyroskop,
  • ein großes, multitouch-fähiges Display.

Augmented-Reality-Anwendungen für Smartphones lassen sich momentan technisch in zwei Gruppen einteilen: Zum einen sind da Anwendungen, die geocodierte Zusatzinformationen am jeweiligen Standort einblenden und zum anderen gibt es Applikationen, die auf der Mustererkennung im Nahbereich basieren.

Für den Moment nur so viel: Im ersten Fall filmt man mit der Kamera des Smartphones die Umwelt, per GPS, WLAN oder Triangulierung der Mobilfunkzellen wird die Position bestimmt und abhängig von der Position bekommt man ortsbezogene Informationen in Form von Text, Bildern, Video, 2D- oder 3D-Modellen angezeigt. Befindet man sich in einem Gebäude wird die Positionsbestimmung etwas schwieriger, hier können für metergenaue Ortsbestimmung LLA-Marker zum Einsatz kommen.

Im zweiten Fall, der Mustererkennung im Nahbereich, können ebenfalls Marker zum Einsatz kommen. Hier geht es nicht darum ortsbezogene Informationen zur Umgebung anzuzeigen, sondern das ins Visier genommene Motiv mit 2D- oder 3D-Content zu überlagern. Die Entwicklung ist hier mittlerweile so weit, dass man weitgehend auf Marker verzichten kann; durch Mustererkennung lässt sich das Motiv selbst als Identifier verwenden.

Die Rahmenbedingungen sind optimal

Die Rahmenbedingungen für Augmented Reality im mobilen Bereich könnten günstiger kaum sein. Neben dem bereits erwähnten Umstand, dass Smartphones heute bereits out-of-the-box alles mitbringen was für AR benötigt wird, ist hier vor allem die Verlagerung der Internet-Nutzung von stationären PCs auf mobile Devices zu nennen. Laut einer Untersuchung von Morgen Stanley Research [4] wird in diesem Jahr die Anzahl verkaufter Smartphones und Tablets die Anzahl verkaufter PCs und Notebooks zum ersten Mal übertreffen. Die Prognose für die Folgejahre zeigt immense Wachstumsraten für die Mobilgeräte. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, was die Nutzer mit ihrem Smartphone machen. Ist hier überhaupt Platz für neue (AR)-Anwendungen oder wandert die Internetnutzung 1:1 von stationären auf mobile Geräte? Eine Auswertung von Appsfire [5] zeigt, dass dies mitnichten der Fall ist: ungefähr die Hälfte der Zeit verbringen iPhone-User mit der Benutzung von Apps, Anwendungen also, die es so auf dem PC gar nicht gibt. Hierunter können natürlich auch AR-Anwendungen fallen.

AR-Anwendungen für Smartphones

Doch nun zu den AR-Anwendungen für Smartphones. Praktisch sind hier nur Apps für Android und iOS zu nennen, WindowsPhone 7 gibt den Kamera Stream noch nicht frei, d.h. ein Live Tracking ist damit momentan nicht möglich. Symbian und Bada bieten zwar theoretisch die notwendigen technischen Voraussetzungen, spielen aber praktisch im AR-Bereich keine beziehungsweise noch keine Rolle..

Augmented-Reality-Anwendungen erreichen den Nutzer gegenwärtig in zwei „Darreichungsformen“: Als eigene App oder als Informationsangebot für einen AR-Browser. Hiervon gibt es momentan drei Relevante: Layar, Wikitude und Junaio (Bild 2).


Die derzeit relevanten AR-Browser Junaio, Wikitude, Layar (Bild 2).

Sie bilden die technische Grundlage für AR-Anwendungen und stellen die notwendigen Funktionalitäten per API bereit. Eigene AR Angebote können gegen diese APIs programmiert werden, je nach Browser heißen sie dann „Layer“ (Layar), „Welten“ (Wikitude) oder „Channel“ (Junaio). Ich werde sie im weiteren einheitlich browserübergreifend als Kanäle bezeichnen. Die Infrastruktur ist hier also ähnlich wie im Web, die Browser dienen zur Darstellung des Contents, für den Inhalt sind unzählige Content-Lieferanten zuständig. Einen kleinen aber feinen Unterschied gibt es allerdings: Die Art, wie der AR-Content aufbereitet werden muss ist in jedem der drei Browser unterschiedlich, ein einheitlicher Standard existiert bisher nicht.

Was bieten Augmented-Reality-Browser?

Allen gemeinsam ist die Möglichkeit ortsbezogenen Content in Kanäle verpackt darzustellen. Wie oben beschrieben wird das Bild der Umgebung mit der Kamera erfasst und je nach eingestelltem Kanal werden dazu Points of Interest eingeblendet. Ein Tab hierauf lädt Zusatzinformationen in Form von Text, Bild, Audio, Video, 3D Modellen oder als Weiterleitung auf eine Website. Ein gutes Beispiel was hiermit möglich ist, zeigt der Junaio Kanal von kino.de [6], hier kann ich nicht nur das nächste Kino in meiner Umgebung finden, sondern habe darüber hinaus auch noch Zugriff auf die Spielzeiten und Trailer der Filme im Programm. Ein weiteres anschauliches Beispiel war ein von Vodafone Ungarn gesponserter Kanal [7] für Layar, der auf dem Sziget Festival das Programm der einzelnen Bühnen inklusive Entfernung et cetera angezeigt hat.

Im Bereich der ortsbezogenen Informationen sind sich alle AR-Browser ziemlich ähnlich. Die Form der Darstellung variiert, welche man favorisiert ist aber eher Geschmackssache.Die meisten Kanäle gibt es gegenwärtig für Layar, er war der erste Browser, der sein API öffnete und Kanäle von unabhängigen Entwicklern zuließ

Größer sind die Unterschiede bei der Mustererkennung, hier ist spezielles Know-How gefragt, welches abhängig vom jeweiligen Hintergrund der Herstellerfirma unterschiedlich stark vorhanden ist. Mit Markern kommen noch alle einigermaßen klar, eine stärkere Differenzierung ergibt sich bei markerlosen Tracking.

Junaio, der AR-Browser von Metaio, hat hier eindeutig die Nase vorn (Bild 3). Mit den Junaio-Browser ist bereits markerloses Tracking mit eigenen Vorlagen auch für unabhängige Entwickler möglich.


Beispiel für markerloses Tracking eines 3D-Objekts mit Junaio (Bild 3).

Die zweite Darreichungsform sind eigene Apps, die AR-Funktionen enthalten. Hierbei ist alles möglich, was auch bei AR-Browsern möglich ist und noch eine ganz Menge mehr. Natürlich ist dies für den Anbieter mit deutlich höherem Aufwand verbunden, es muss ja alles selbst entwickelt werden.

Einsatzmöglichkeiten

Der offensichtlichste Einsatzzweck von Augmented Reality ist sicherlich die Kommunikation von Adressen und ortsbezogenen Informationen. Hersteller und Einzelhandel können auf diese Art einfache und komfortable Händler- und Servicelocatoren erstellen. Das ist sowohl als Kanal in einem Browser möglich, wie zum Beispiel bei CEWE in Junaio oder als Teil der eigenen App wie bei immowelt.de [8].

Ein momentan extrem boomender Bereich ist die Erweiterung von klassischen Print-Objekten mit AR-Features. Vorreiter waren die Hersteller von Spiel- und Sammelkarten, gegenwärtig scheint so ziemlich alles augmented zu werden was sich irgendwie drucken lässt. Anzeigen, Kalender, Kataloge, Zeitschriftenartikel et cetera. Einiges davon wird momentan noch stationär für den PC umgesetzt, die Umschichtung in den mobilen Bereich ist aber in vollem Gange. Auch hier ist eine Realisierung sowohl als Kanal, als auch als eigene App möglich, wobei mittel- und langfristig eher auf Mustererkennung statt auf Marker gesetzt werden wird.

Auch für E-Commerce lässt sich AR einsetzen. Die mobile und lokale Komponente lässt Angebote räumlich und auch zeitlich begrenzbar machen. AR-Applikationen wie GoldRun [9] lassen virtuelle Stores im öffentlichen Raum entstehen und locken Nutzer spielerisch an Orte, die sie bisher nicht mit der Marke assoziiert haben. Gerade in Kombination mit Couponing sind hier spannende Modell denkbar. Der japanische Vorreiter iButterfly [10] zeigt wohin die Reise gehen kann.

Ein weiterer wichtiger Bereich wird die Visualisierung im Architekturbereich sein. Vorstellbar ist, dass sich AR mittelfristig zur Lieblingsanwendung aller Architekten verwandelt. Endlich, wird es möglich sein, geplante Bauwerke auch an den Originalbauplätzen zu visualisieren (Bild 4) und zwar so, dass sich auch der Auftraggeber oder die interessierte Öffentlichkeit mit einfachen Mitteln (dem eigenen Smartphone) ein Bild machen kann. Einen ersten Eindruck was hier möglich sein wird vermittelt die App des Niederländischen Architektur-Instituts NAI [11].


Die AR-App des NAI blendet geplante Gebäude ins Kamerabild ein (Bild 4).

Sie ist in Zusammenarbeit mit Layar entstanden, ist aber kein Kanal, sondern eine eigenständige App. Was für noch nicht errichtete Bauwerke gilt, ist natürlich auch für nicht mehr existente Gebäude(teile) möglich. AR-basierte Apps werden neue Visualisierungsmöglichkeiten urbaner Geschichte ermöglichen und damit im Bildungsbereich ihren festen Platz finden. Ein erstes Beispiel liefert die App Streetmuseum [12] des Museum of London, die – noch ohne 3D – Fotos historischer Gebäude im Zeitverlauf an der jeweiligen Location zeigt.

Der finanziell sicherlich lukrativste Einsatzbereich werden aber wieder einmal Spiele sein. Auf Smartphones reicht die Rechenpower der Prozessoren und Graphikchips bisher nur für optisch eher reduzierte Spiele, wie zum Beispiel Star Wars Arcade: Falcon Gunner [13] oder AR-Invaders [14]. Kleine Objekte werden hier mit relativ wenigen Polygonen über das Livebild gelegt und stehen dem Spieler damit zum Abschuss bereit. Auf spezialisierter Hardware wie exemplarisch auf der neuen Nintendo 3DS zu sehen, geht es da schon anders zur Sache; die mitgelieferten AR-Spiele der 3DS sind das innovativste was die mobile Spieleszene seit langem zu bieten hatte.

Wer an eine Spiele-App im Marketingumfeld für die eigene Marke denkt, kann man aber auch mit den limitierten Möglichkeiten aktueller Smartphones schon jede Menge machen. Hier ist dann aber Kreativität gefragt. Eine clevere Umsetzung zeigt Red Bull, bei seinem AR-Rennspiel fürs iPhone [15] kann der Spieler mit Getränkedosen einen eigenen Kurs abstecken, der dann – nachdem er per Smartphone und Mustererkennung eingelesen wurde – mit einem Tourenwagen befahren werden kann.

Der Grund, warum AR nicht als gehypter Trend bereits nach kurzer Zeit wieder verschwinden wird, liegt darin begründet, dass sich viele Kernprodukte um AR-Komponenten erweitern lassen und damit Augmented Reality kein isoliertes Randthema bleibt. Um noch mal ein Beispiel aus dem Spielebereich anzuführen: Für Parrots AR.Drone sind jetzt die ersten Spiele fürs iPhone verfügbar [16], die die Kamera der Drone nutzen und somit dem Spieler ein einzigartiges Spiele-Erlebnis bieten. Der Spieler fliegt einen realen Quadkopter, mit dem er virtuelle Ziele Treffen muss. Eine faszinierende Mischung aus Flugsimulator und Egoshooter (Bild 5).


Spannende Verbindung von virtuell und real: AR-Apps für die AR.Drone (Bild 5).

Etwas mehr down-to-earth, aber nicht minder dynamisch, sind die Entwicklungen im Bereich der Navigationssysteme. Es steht zu erwarten, dass alle großen Hersteller Augmented-Reality-Funktionen in ihre Lösungen einbauen werden. Das AR-technisch am weitesten fortgeschrittene Produkt nennt sich Wikitude Drive [17] und stammt von Mobilizy, dem Hersteller des AR-Browsers Wikitude. Hier werden die Navigationsanweisungen als sich in Echtzeit aktualisierende Grafik über das Realbild der Kamera gelegt (Bild 6).


Wikitude Drive in Aktion (Bild 6).

Aber auch die angestammten Hersteller von Navigationssystemen arbeiten alle an AR-Erweiterungen, und sei es nur – wie bei Navigon – um Points of Interest (PoIs) einzublenden.

Geschäftsmodelle, die rein auf AR aufbauen gibt es jenseits der Infrastrukturanbieter noch wenige. Mit fortschreitendem Reifegrad der Technik sind aber neue Geschäftsmodelle zu erwarten. Ein phantastisches Beispiel für eine echte Nutzanwendung, die in dieser Form ohne AR nicht möglich wäre, stellt zum Beispiel die App Word Lens [18] dar, die English-Spanisch-Übersetzungen von mit der Kamera aufgenommenen Text durchführt und das Ergebnis über das Originalbild legt. In der Erkennungsleistung und Übersetzung ist diese Anwendung zwar noch nicht perfekt, aber bereits jetzt schon wirklich beeindruckend.

Kanal oder eigene App?

Möchte man nun für sein Unternehmen oder seine Marke eine mobile AR-Anwendung entwickeln, ist eine der ersten Fragen, die es zu klären gilt, ob hierfür ein Kanal in einem AR-Browser reicht, oder ob es eine eigene App sein muss. Beides hat Vor- und Nachteile: AR-Browser gibt es für alle relevanten Plattformen, gegenwärtig für iOS, Android, Symbian und Bada, Windows-Phone-7-Versionen werden sicherlich folgen. Das heißt wenn man einen Kanal für einen der Browser entwickelt hat, ist man damit automatisch und ohne Mehrkosten auf allen Plattformen vertreten, für die es den Browser gibt. Eigene Apps müssen dagegen für jedes Betriebssystem neu entwickelt werden. Konzept, Grafik, Text et cetera können zwar übernommen werden, die eigentliche Programmierung lässt sich aber natürlich nicht übertragen. Für den Fall, dass man mit einer eigenen App auf mehreren Plattformen vertreten sein möchte, ist also beträchtlicher Mehraufwand zu leisten.

Hier schimmert schon der Hauptvorteil von Kanälen für AR-Browser gegenüber Eigenentwicklungen durch; es ist ganz klar der Kostenfaktor. Der tatsächliche Aufwand hängt natürlich wie immer von Idee und Umfang der Anwendung ab, der Kostenunterschied zwischen dem Bauen eines Kanals für einen AR-Browser und dem Erstellen einer eigenständigen App ist und bleibt aber beträchtlich.

Ein weiterer Vorteil von AR-Browsern kann deren Verbreitung sein. Die eigene App kennt zunächst keiner. Jede App muss also mit nicht unbeträchtlichen Werbeaufwänden bekanntgemacht werden, Abhängig von der Bekanntheit der eigenen Marke kann es daher sinnvoll sein auf einen AR-Browser mit seiner bereits vorhanden Nutzerschaft zu setzen und zu hoffen, von einigen dort gefunden zu werden. Das gleiche gilt aber auch im Umkehrschluss: Möchte ich meinen AR-Kanal bewerben mache ich immer automatisch auch Werbung für den jeweiligen AR-Browser. Um es noch mal ganz klar zu sagen, ein Kanal ist keine App! Der Kanalanbieter ist immer nur „Untermieter“ in einem bestehenden System, in dem vielleicht auch schon der Mitbewerber vertreten ist, der wenn‘s ganz blöd kommt, auch noch in einer besseren Position in der Liste der Kanäle auftaucht. Man hat damit dann eben auch keine App im App Store beziehungsweise im Android Market, die man entsprechend bewerben kann.

Im technischen Bereich ist zu sagen, dass die Möglichkeiten dessen, was man in einem AR-Browser machen kann natürlich beschränkt sind. Es geht schon recht viel, aber mit der Flexibilität und Leistungsfähigkeit einer Individualprogrammierung kann ein AR-Browser natürlich nicht mithalten. Das betrifft auch Usability und Design, hier sind nur in sehr eingeschränktem Maße Anpassungen möglich, eine Vereinbarkeit mit dem eigenen Corporate Design ist da nur schwer herstellbar.

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Nachteil von AR-Browsern: Der Content wird immer serverseitig vorgehalten und erst bei Bedarf (Benutzung des Kanals) nachgeladen. Das heißt ohne Internetzugang geht hier gar nichts. Auch im Always-On-Zeitalter sollte man diesen Umstand nicht zu gering einschätzen. Es gibt in Deutschland noch genug Orte wo – je nach Netzanbieter – 3G nicht verfügbar ist. Richtet sich das Angebot vielleicht sogar an ausländische Touristen, kann man bei dieser Zielgruppe einen Internetzugang dank immer noch horrender Roaming-Kosten ebenfalls nicht voraussetzen.

Die Tatsache, dass der Inhalt immer zur Laufzeit geladen wird hat natürlich auch beträchtlichen Einfluss auf die Geschwindigkeit. Bei einer eigenen App kann man den Content in die App legen, damit ist dieser auch für den Nutzer sofort verfügbar, spürbare Ladezeiten zum Beispiel der PoIs wird es dann nicht geben.

Auch beim Thema Monetarisierung bringt ein Browser-Kanal deutlich mehr Einschränkungen mit sich als eine eigene App. Gegenwärtig besteht nur bei Layar überhaupt die Möglichkeit einen Kanal kostenpflichtig anzubieten; die beiden anderen Browser planen kostenpflichtige Kanäle erst für die Zukunft. Ähnlich stellt sich die Situation bei der zweiten wichtigen Einnahmequelle dar: Werbung. Es gibt zwar zaghafte Versuche der AR-Browser-Hersteller Werbung in den Kanälen zu ermöglichen, von den Möglichkeiten der verbreiteten Werbenetzwerke wie zum Beispiel AdMob sind sie jedoch noch weit entfernt.

Und auch in diesem Zusammenhang sollte man das leidige Thema Standards erwähnen: Um es kurz zu machen: Es gibt keine. Jeder der drei Browserhersteller hat sein eigenes System, wie der Content aufbereitet und vorgehalten werden muss um im AR-Browser dargestellt zu werden. Das heißt wenn man mit einem Kanal in allen drei AR-Browsern vertreten sein möchte, muss man den Inhalt auch in drei verschiedenen Formaten auf eigenen Servern vorhalten. Das ist zwar noch deutlich weniger Aufwand als eine eigene App für drei Betriebssysteme zu programmieren, unnütz erscheint es aber trotzdem.

Ist die Entscheidung für die technische Plattform gefallen kann die Entwicklung beginnen. Vor der technischen Realisierung – mehr dazu in der kommenden mobile-developer – steht die Konzeption. Und wie bei jeder App-Entwicklung liegt hier der Schlüssel für Erfolg oder Misserfolg der App.

Augmented Reality darf nicht Selbstzweck sein – Produzieren Sie keine Lösung auf der Suche nach dem Problem. Die Zeiten in denen der Neuigkeitsfaktor ausreichte um mit Augmented Reality positiv aufzufallen sind bereits vorbei. Auch sollte Ihre Umsetzung mit AR einen klaren Vorteil gegenüber einer Lösung ohne AR bieten – Nicht alles was neu ist, ist auch besser. Augmented Reality in der eigenen App ist eine kostspielige und aufwändige Angelegenheit, der Effekt muss den Aufwand rechtfertigen.

Das gilt im übrigen auch auf Nutzerseite, auch hier muss Aufwand und Erlebnis in gesundem Verhältnis stehen. Gerade wenn Marker ausgedruckt, ausgeschnitten und passgenau ins Visier genommen werden müssen fragen Sie sich bitte immer: Rechtfertigt die „User Experience“ das, was ich dem Nutzer hier an Engagement abverlange?

Grundsätzlich sollten die Nutzer wie bei jeder App Entwicklung im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Es ist zu fragen, passt die angedachte AR Umsetzung zu meiner Zielgruppe? Welche Mobiltelefone benutzt sie? Wie innovativ ist sie? Wird Augmented Reality goutiert und genutzt werden? Darüber hinaus muss Augmented Reality auch zu meiner Marke passen und darf sie keinesfalls beschädigen. Möchte ich beispielsweise ein 3D-Modell meines Produktes per Mustererkennung über einen realen Gegenstand einblenden ist zu beachten, daß auf Smartphones die Anzahl der Polygone, die gleichzeitig dargestellt werden können noch stark beschränkt ist. Auch für Texturen gibt es Maximalgrössen. All dies kann dazu führen, daß mein Produkt in der Augmented Version nicht den Qualitätsstandards genügt, die in der Außendarstellung angestrebt werden.

Überhaupt ist die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Smartphones, auf denen die App laufen soll zu beachten. Es macht wenig Sinn nur für die Spitzenmodelle oder für die aktuelle Generation zu entwickeln. Auch Geräte der vorletzten Generation sollten noch unterstützt werden um die Zahl möglicher Nutzer nicht unnötig einzuschränken. Bei der Realisierung sollte man außerdem gesteigerten Wert auf die Umweltbedingen legen und alles so oft wie möglich unter den verschiedensten Bedingungen an Originalschauplätzen testen. Gerade die je nach Tageszeit und Beleuchtungssituation unterschiedlichen Lichtverhältnisse spielen eine große Rolle.

Last but not least vergessen Sie nicht, den Kanal oder die App gehörig zu bewerben. Betten Sie sie wie jedes andere Produkt auch in Ihren Marketing Mix ein und begleiten Sie den Launch mit geeigneten Werbemaßnahmen.

Das war der erste Teil unserer zweiteiligen Serie zu Augmented Reality. Im nächsten Heft werden wir uns verstärkt mit den technischen Aspekten beschäftigen und einen eigenen Kanal für die drei grossen AR-Browser programmieren. Alle Beispiele dieses Artikels sind übrigens online leicht unter [19] erreichbar.

[1] Ronald Azuma, “A survey of augmented reality”, Presence: Teleoperators and Virtual Environments, 1997, www.cs.unc.edu/~azuma/ARpresence.pdf
[2] www.youtube.com/watch?v=mUuVvY4c4-A
[3] www.seventeen.com/fashion/virtual-dressing-room
[4] www.slideshare.net/kleinerperkins/kpcb-top-10-mobile-trends-feb-2011
[5] http://blog.appsfire.com/infographic-ios-apps-vs-web-apps
[6] www.kino.de/news/kino-de-liefert-kino-infos-per-augmented-reality-ins-handy-kamerabild/295975.html
[7] http://site.layar.com/company/blog/tag/sziget/
[8] https://market.android.com/details?id=de.immowelt.android.immobiliensuche
[9] www.goldrungo.com
[10] www.mobileart.jp/ibutterfly_en.html
[11] http://en.nai.nl/exhibitions/3d_architecture_app
[12] www.museumindocklands.org.uk/Resources/app/you-are-here-app/index.html
[13] http://vertigore.com
[14] http://invaders.soulbit7.com
[15] www.redbullusa.com/cs/Satellite/en_US/001242961393131#/page/home
[16] http://ardrone.parrot.com/parrot-ar-drone/de/ar.games/#AR.FlyingAce
[17] www.wikitude.org/en/category/02_wikitude/wikitude-drive
[18] http://questvisual.com/
[19] www.bokowsky.net/de/knowledge-base/augmented-reality/

 
Ein Gastbeitrag von Markus Bokowsky für die deutsche
Fachzeitschrift "mobile-developer" Ausgabe 8/2011.


 
 


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